Anlagetypen bei den psychiatrischen Anstalten
Die Gebäudeanordnung bei den psychaitrischen Anstalten läßt sich in drei Anlagetypen gliedern:
- Typ 1 (Zentralbau):
Die Analge ist in einem einzigen Gebäude untergebracht; für solche Anstalten wurde meist ein fremdes Gebäude, oft ein Schloss oder eine Klosteranlage zum Zwecke der Irrenpflege umgebaut. Es wurden dabei meist aneinander gesetzte, schmale Trakte, die sich oft axialsymmetrisch um Höfe gruppierten oder aber rechtwinkelig wegstanden, entwickelt, die meist durch längere Korridore verbunden waren und lagen die Krankensäle ebenfalls - meist aufgereiht - an längs des Gebäude angeordneten. inneren Korridoren; dieses System wird deshalb als "Korridorsystem" bezeichnet.
Beispiele: Ybbs, Brünn, Niederhart/Linz, Klosterneuburg, Valduna/Vorarlberg, Feldhof/Graz, Pergine, Iglau/Mähren, Oberkovic/Böhmen, Hall, Kulparkow bei Lehmberg - Typ 2 (Streulage):
Die Anlagen bestehen aus mehreren kleineren, teilweise verstreut angeordneten pavillonartigen Gebäuden. Von diesem Typ gibt es nur wenige Beispiele, da man damals in einem symmetrishcen Pavillonsystem - nicht zuletzt wegen der Möglichkeit der klaren Trennung der Männerabteilung von der Frauenabteilung - besondere Vorteile sah und dieses System im Wesentlichen nur bei Anlageerweiterungen verwendet wurde.
Beispiele: Gugging, Triest, Kosmanos/Böhmen - Typ 3 (Axialsymmetrische Anlagen:
Betont ayialsymmetrische oder mehrfach axialsymmetrische an einem Hauptweg abgeordnete Pavillons mit oft gleichfalls symmetrischen Gebäudegrundrissen; die Symmetrieachse, an der üblicherweisse die Administrationsgebäude, die Kirche, das Gesellschaftshaus und oft auch die Wirtschaftsgebäude liegen, trennt die Männer- und Frauenabteilungen. Von dieser symmetrischen Anordnung sind meist nur die Infektionspavillons und die landwirtschaftlichen Gebäude ausgenommen.
Dieser Anlagetyp nimmt von der Landes- und Pflegeanstalt des Königreichs Sachsen, dem Rittergut Alt-Scherbitz und der Anlage in Dobran in Böhmen seinen Ausgang, die damit auch für die Anlage in Mauer-Öhling und am Steinhof zum Vorbild wurden.
Beispiele: Dobran/Böhmen, Studenec/Krain, Czernowitz/Bulkowina, Troppau/Schlesien, Sternberg/Mähren, Salburg, Mauer-Öhling, Steinhof, Görz, Kremsier, Bohnitz bei Prag
Die grundlegenden Änderungen und rasante Entwicklung im System der psychiatrischen und psychosozialen Versorgung der Kranken ab der Mitte des 19. Jahrhunderts wirkte sich durch die damals entstandene Auseinandersetzung mit den Vor- und Nachteilen dieser drei Anlagetypen zwangsläufig auf die eigentliche Behandlung der Geisteskranken und natürlich auch auf die Qualität der Unterbringungsmöglchkeiten aus und brachte damit auch eklatante Verbesserungen in diesem Bereich. Zudem führte das Wegfallen der reinen Kasernierung der Patienten ab dem späten 19. Jahrhundert bei Neubauten fast zur Präfenrenz des Pavillonsystems.
Die Planung des Otto-Wagner Spitals am Steinhof
Die Vorarbeiten für Steinhof
Im immer größer werdenden Wien sollten an einem Wienerwaldabhang, dem Gallitzinberg, eine Heil- und Pflegeanstalt für Geistes- und Nervenkranke sowie ein Sanatorium für zahlende Patienten entstehen. Das Krankenhaus sollte für etwa 2000 bis 2500 Patienten projektiert werden. Von den “offenen” Abteilungen und der Heimpflege wollte man in Wien - aus verständlichen Gründen - Abstand nehmen. Die ärztlichen Leiter befürchteten, eine größere Anzahl leichterer Fälle in Heimpflege so nahe der Großstadt nicht unter Kontrolle halten zu können.
Es entstand ein ebenso axial angeordneter Plan mit Beamten- und Ärztewohnhäusern, der Trennung von Männern und Frauen durch Direktion - Gesellschaftshaus (mit Theatersaal) - Küche und Kirche. Im Westen anschließend war das Privatspital, genannt “Pensionat”, vorgesehen, in dem dann vor dem Ersten Weltkrieg eine elegante und reiche Klientel ihre psychisch oder geistig behinderten Angehörigen unterbrachte. Dieses ehemalige Sanatorium wurde in der Zwischenkriegszeit zur größten Lungenheilstätte Mitteleuropas und gegenwärtig zum “Pulmologischen Zentrum”. Im Nordosten waren die Wirtschaftsgebäude mit Pferde- und Schweineställen und den diversen Handwerkerhäusern, Dampfkesselhaus, Wäscherei etc. geplant, es war eine ganze kleine Stadt für sich, die der damalige Landesbaurat Carlo von Boog hier zu entwerfen hatte.
Mittlerweile war Oberbaurat Otto Wagner; an den Landesausschuß mit dem Antrag herangetreten, ihn zur künstlerischen Mitwirkung bei der Durchführung des Irrenanstaltsbaues heranzuziehen. "Herr Oberbaurat Wagner hat ein Projekt für den Kirchenbau, gleichzeitig aber auch einen Situationsplan über die Hauptdisposition sämtlicher Bauwerke ausgearbeitet und dem Landesausschusse vorgelegt", so steht es im Schlußbericht über die Errichtung von Steinhof.
Aufgrund der topografischen Lage und den Sparmaßnahmen bei den Aushubarbeiten brachte die Einschaltung des Wiener Bauamtes einen Kompromiß zwischen den Entwürfen von Boog und Wagner zustande. Nach ihm wurde zwar die ursprünglich von Boog ausgearbeitete Anlage weitgehend übernommen, allerdings die kostensparende Anpassung an das Gelände der gänzlichen Symmetrie Otto Wagners geopfert.
Diesen Sparmaßnahmen bei den Grabungsarbeiten ist auch die von Otto Wagner geplante Unterkirche zum Opfer gefallen.
Aufgrund des hohen Baumwuchses kann man die komplette Anordnung der Gebäude nur mehr aus der Luft erkennen.
Otto Wagner hat die im ursprünglichen Entwurf unregelmäßig über das Gebiet verstreute Pavillons streng symmetrisch angeordnet, bei der sich alle Gebäude der dominanten Zentralachse subordinieren (unterordnen).
Hier nun von einer unregelmäßigen Anordnung der Wirtschaftsgebäude zu sprechen, wie dies von der Präsidentin des Bundesdenkmalamts Frau Dr. Neubauer in einem Mail an die Initiative Steinhof vom 15.9.2011 zum Ausdruck kommt, entbehrt jeder Grundlage.
Aufgrund der der Topografie folgenden Gebäudeanordnung ergeben sich drei Achsen, denen die Gebäudeausrichtungen folgen:
- Hauptachse nach Süden (grün)
In der Achse befinden sich das Verwaltungsgebäude, das Jugendstiltheater, die Küche und an höchster Stelle die weltberühmte Kirche Zum heiligen Leopold. Die Pavillons sind symmetrisch zur Hauptachse angeordnet. - Nebenachse süd-westlich (blau)
Die Neigung nach Westen resultiert aus der topografischen Lage und zeigt die Anordnung des ehemaligen Sanatoriums (Pensionat).
- Nebenachse nach Osten (rot)
Die Neigung nach Osten resultiert aus der topografischen Lage und zeigt die Anordnung der Wirtschafts- und Therapiegebäude.
Außer den restlichen drei der Krankenunterbringung dienenden Pavillons (Pav. M=Trinkerheilstätte, Pav. U und etwas abseit Pav. 23) liegen im Bereich des Wirtschaftshofes. Das Werkstättengebäude (O) mit einem Wohnhaus für Professionisten (O1), die Wäscherei (P) mit Kesselhaus (Q) und Wasserenthärtungsanlage (Y), der Schweinestall (N), die Selcherei (X), das Arbeitsverteilungsgebäude mit der angebauten Remise für die elektrische Eisenbahn (a und a1) und der Wagenschuppen (auch Garage mit einem Traktor) mit einem Pferde- und Eselstall (L), die Gewächshäuser der Gärtnerei (R) und das Gärtnerwohnhaus (S), waren unverzichtbare Einrichtungen der Spitalsanlage zur Selbstversorgung und notwendigen Reduzierung der Finanzmittel.
- Geistliche Achse (gelb)
Im östlichsten Teil der Anstalt liegt auch die Prosektur (Pathologie) mit der Aufbahrungshalle (K) und das Pförtnerhaus beim Wirtschaftstor. Die Ausrichtung der Prosektur war auch schon im sog. Beamtenentwurf so angeordnet, dass die Mittelache der Prosektur zur Anstaltskirche zeigt und wurde auch von Otto Wagner bei der Umgestaltung der Anlage beibehalten.
Weitere Details entnehmen Sie bitte auszugsweise der Beschreibung aus dem Jahre 1934: Die Wiener Landes-Heil- und Pflegeanstalt für Geistes- und Nervenkranke “Am Steinhof”
Diese Achse als "Sichtachse" Pathologie-Kirche zu bezeichnen ist schlicht falsch, wie das 180° Foto von der Pathologie Richtung Kirche beweist. Nicht nur wegen des Baumbestands unmöglich, auch weil die Achse durch die Pavillons 20 und 24 verläuft.
Fachvortrag vom 21.8.2012 von Dipl.-Ing. Otto Kapfinger (Architektur – Publizistik)
Wenn man sich mit den Entwürfen von Otto Wagner und seiner akribischen Art der Planung und der Detaillierung auseinandergesetzt hat, muss man erkennen, dass keine der Planungen von Otto Wagner "unregelmäßig" oder zufällig entstanden sind. Einige seiner zahlreichen Handskizzen zeigen deutlich die gestalterische Kraft des Architekten. Sogar die Bepflanzung der Anlage wurde bis ins kleinste Detail vorausgeplant.
Abgrenzungsflächen
Zwischen dem ehemaligen Sanatorium (Pensionat) im Westen der Anlage, in dem vor dem Ersten Weltkrieg eine elegante und reiche Klientel ihre psychisch oder geistig behinderten Angehörigen unterbrachte und der allgemeinen Pflege- und Heilanstalt wurde von Otto Wagner ein 50 m breiter Grünstreifen mit Baumbepflanzung vorgesehen, um das reiche Klientel vor den Blicken der armen kranken Bevölkerung zu schützen.
Im Osten der Anlage hat Otto Wagner zwischen der Prosektur und der Pflege- und Heilanstalt ebenfalls einen 50 m breiten Grünstreifen mit Baumbepflanzung vorgesehen um den kranken Patienten den Blick auf die Prosektur zu unterbinden. Weitere Rasenflächen um die Prosektur, wie auch eine Öffnung zur Straße hin für den Zugang der Trauergäste, sollten diesen Ort so weit wie möglich von den Patienten abschirmen und andererseits den trauernden Angehörigen der Toten einen gebührenden Abschied ihrer Angehörigen ermöglichen.
Wenn die Präsidentin des Bundesdenkmalamtes Frau Dr. Neubauer im Mail an die Bürgerinitiative vom 15.9.2011 schreibt, dass die “Freiflächen” immer schon als “Reserve” gedacht waren, lässt sich dieser Nachweis für uns nicht nachvollziehen, da in keinen der uns vorliegenden Dokumentationen dieser Zweck nachzulesen ist.
Le Sanatorium provincial
An einer der schönsten Stellen Wiens Peripherie, reich an malerischen und anmutigen Sehenswürdigkeiten auf den sanften Hügeln des Galizin, erhebt sich das Haus der Gesundheit, eingerichtet durch Niederösterreich zur Behandlung von zerebraler und nervöser Anfälle, zum 13. Bezirk der Hauptstadt zugehörig: Administrativ zum Haus der Gesundheit gehörend, aber baulich separat, entspricht das Provinzielle Sanatorium Steinhof, dank der Anwendung aller hygienischen und technischen Einrichtungen die heutzutage für die Behandlung von nervösen und psychischen Krankheiten existiert.
Streng genommen befindet sich das Sanatorium auf dem Land der Gemeinde Wiens, was es von allen Orten der Stadt erreichbar macht: aber der ländliche Standort und die wundervollen Landschaften die es umgeben, gestatten zu sagen, dass seine Ausrichtung, ohne zu übertreiben von unvergleichbarer Schönheit ist.
Das weite Territorium des Etablissements ist im Norden durch das Laub und die grünen Bäume des kommunen Wald und Feldgürtel begrenzt; von allen anderen Himmelsrichtungen erstreckt sich die Stadt ohne Hindernisse; egal von welchen Punkt des Sanatoriums erstreckt sich sie sich über 30 km.
Im Westen und Südwesten ist es die Herrlichkeit des Wiener Walds, durch die Bergrücken der Rax und des Schneebergs dominiert,den Großteil des Jahres von Schnee gekrönt; im Süden beherrschen die Bergketten des Anningers und ?; im Osten ist es das Panorama der großen Stadt die sich in ihrer Gesamtheit dem Betrachter erschließt und am Abend die Weite der tausenden glühenden Lichter.
Das Sanatorium Steinhof ist eine Kreation Niederösterreichs, mit dem Hintergedanken dem oft vorhandenen Bedürfnis nach einer vernünftigen Maßnahme für die Unterbringung von Personen mit psychischen Leiden, die der oberen Schicht zugehörig oder mit den finanziellen Mitteln versehen sind, in einem öffentlichen Etablissement mit Anschluss der finanziellen Begleitung der behandelnden Ärzte.
Es handelt sich somit um eine öffentliche Einrichtung, Ideen des Gewinns von sich weist und vielmehr eine Unterbringung, die Pflege und Behandlung der Patienten zu moderaten Preisen mit aller realisierbaren Perfektion anstrebt. Das Sanatorium unterliegt dem hohen Gericht der Länderdelegation Niederösterreichs, ist in administrativer Hinsicht vom Landtag überwacht, in sanitärer Hinsicht von imperial-körperlichen Autoritäten, die der Schutz der Patienten obliegt, dem Gesetz entsprechend, dem Gericht.
Andererseits unterliegt das Sanatorium der Direktion des provinziellen Hauses der Gesundheit in Hinsicht der Behandlung zebraler und nervöser Leiden im Steinhof, Wien 13. Die unmittelbare medizinische Direktion obliegt einem Chefarzt.
Das Sanatorium unterliegt der Schweigepflicht. Das oberste Ziel des Sanatoriums ist die Aufnahme, die Behandlung und Pflege versichernd, ohne Rücksicht auf Herkunftsland und Konfession der Patienten die unter psychischen oder mentalen Krankheiten leiden, die in Hinsicht der Unterbringung sowohl der Pflege besondere Ansprüche haben.
Weiters ist es auch vorgesehen, die Personen die an nervösen Krankheiten mit Manifestation psychischer Art leiden aufzunehmen und sie aufgrund ihrer Natur in einer speziellen Einrichtung zu behandeln.
Diese Leiden sind genauer folgende: Nervenschwäche, Hysterie, Hypochondrie, Nervenanfälle, mit zugrunde liegender Schwäche und Anemie, Verdauungsproblemen oder Intarikationen wie Morphirismus und Kokainismus, etc. Kranke mit straflichem Hintergrund sind nicht zugelassen.
Das Sanatorium beinhaltet für die Unterbringung der Patienten 10 Pavillons in einem fürs Auge angenehmen modernen Stil, es besitzt ein Kurhaus mit einer mechano-elektro-hydrotherapeutischen Ausstattung, einem Gebäude für die Administration und Küchen die eine imposante Konstruktion sind.
Jeder Einzelne der Pavillons bietet absoluten Komfort der auch bei den außergewöhnlichen Angewohnheiten nichts an Wünschen übrig lässt.
Für den Fall, dass ihr Benehmen es erfordert, ist die ...